Ich bin noch ganz klein. Mein Körper ist noch im Wachstum und wird es noch für viele weitere Jahre sein. Ich werde mich selbst im Spiegel dabei beobachten, wie sich mein Körper verändert. Wie er in die Höhe schießt, sich die Haut an ihre großen Knochen anpasst.

Ich werde an vorher glatten Stellen entdecken, wie Haare sprießen und sich wild kräuseln. Werde mich selbst kennenlernen und mich selbst anders sehen. Werde ihn anders sehen. 

In mir drin wächst er. Auf dem grauen Bildschirm kann ich die kleine Kugel in meiner Mitte genau betrachten. Mein Zeigefinger streicht langsam über das Plastik des Displays. Hinterlässt einen kleinen fettigen Fleck. Genau an der Stelle an der mein digitales Abbild in Grau, Grün und Schwarz zu sehen ist. Der Arzt hat mich angesehen, mit den Händen stetig damit beschäftigt das glitschige Gel von meinem Bauch zu wischen. »Was ist das?«, frage ich. Er schaut mich über den Rand seiner Brille an, blinzelt verwirrt und sagt dann, als müsste ich darüber doch alles wissen: »Kleine, das … das ist dein Tod.«

Denn er ist nicht zu fassen, der Tod. 

Meine Eltern sind beunruhigt und versuchen mir zu erklären, dass er komplett natürlich sei. Sie hätten auch einen Tod, es sei nichts wofür man sich schämen müsse, oder das einen beunruhigen sollte. Dabei bin ich nicht mal ein ganz kleines Bisschen beunruhigt. Ich bin fasziniert. Bin gespannt und aufgeregt. In mir ist etwas, das nur mir gehört, etwas das mein Freund sein kann! 

Man hat sich also geirrt.
Der Tod kommt niemanden holen.
Der Tod ist längst bei uns.


Auszug aus meiner Kurzgeschichte „Memento Mori: Eva“.
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